Als mich mein Wecker heute morgen um 4:45 Uhr geweckt hat, war mein erster Gedanke der, dass ich heute auf keinen Fall mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren werde. Ich rechtfertigte diese Entscheidung mit folgenden Argumenten:

  1. Gestern war ich noch krank und lag mit Magenbeschwerden im Bett, ich sollte mich  eigentlich schonen.
  2. Ich habe immer noch eine schmerzhafte Stirnhöhlenentzündung und kalter Fahrtwind reduziert solche Schmerzen nicht gerade…
  3. Es ist zu kalt um mit dem Fahrrad unterwegs zu sein.

Weil ich im Halbschlaf schon beschlossen habe, dass ich ausnahmsweise mit dem Auto zur Arbeit fahren werde, wollte ich mich noch eine Viertelstunde hinlegen. Doch im Moment als ich mich hingelegt habe, wurde mir klar, dass ich mich nicht richtig entschieden habe. Ich wollte den Tag mit einer sportlichen Tätigkeit beginnen, aber mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren wollte ich einfach nicht, ich hatte wirklich keine Lust dazu und fühlte mich noch zu schwach.

Vor zwei Monaten habe ich beschlossen nicht mehr mit dem Auto zur Arbeit zu fahren, sondern nur noch mit dem Fahrrad (Ausnahme: Im Winter, im Krankheitsfall, oder, wenn es aus organisatorischen Gründen nicht anders geht). Diese Gewohnheit ermöglichte eigentlich nur zwei Alternativen, entweder die meiste Zeit mit dem Fahrrad unterwegs zu sein, oder eben in Ausnahmefällen mit dem Auto. Gerade heute empfand ich diese Gewohnheit als sehr rigide und einengend, denn ich wollte ja den Tag auf jeden Fall mit einer sportlichen Tätigkeit beginnen, was nun? Nur zwei Optionen waren mir zu wenig, also musste ich in meine Regel modifizieren und zusätzliche Optionen »erfinden«, die mir eine größere Wahlfreiheit boten. Schnell bekam ich einen guten Einfall, wie ich mein Dilemma praktisch lösen konnte. Ich zog mich schnell an und mit dem Auto ging es dann Richtung Arbeit. Als ich die Hälfte des Weges zur Arbeit zurückgelegt hatte, bog ich in eine Nebenstraße, parkte und ging den Rest des Weges zu Fuss. Spätestens jetzt wurde mir klar, dass ich zur Arbeit nicht nur mit dem Fahrrad fahren konnte, sondern auch mit den Inline-Skates oder eben zu Fuss. Und die Moral von der Geschicht?

Oft klammern wir uns an gewisse Regeln, die wir uns selbst auferlegt haben und obendrein noch sinnlos sind, weil sich die Situation in der wir uns befinden inzwischen komplett verändert hat, während die Regeln weiterhin gleich bleiben. Darum gilt im Strassenkampf die Regel, dass die Situation in der wir uns befinden auch die Technik diktiert, die wir zu verwenden haben, um zu überleben. Das Leben ist natürlich kein Strassenkampf, doch diese Vorgehensweise ist sehr »lebendig«, flexibel und ermöglicht, dass man IMMER situationsbezogen reagiert.

000 franjo in jaz

Interessant finde ich, dass wir im Leben oft genau umgekehrt reagieren und versuchen mit einer einzigen Technik oder einer Regel eine Situation zu lösen oder zu bewältigen, die jeden Tag, jede Stunde, jede Minute anders sein kann. Natürlich hätte ich mich am Morgen auf das Fahrrad setzen können, doch die Situation hatte sich inzwischen verändert. Vor kurzem war ich noch krank, ich hatte immer noch eine Stirnhöhlenentzündung und es war schweinisch kalt. Hätte ich so gehandelt, hätte ich zwar meine alten Regeln des Minimalismus zwar befolgt, doch mit dieser Entscheidung hätte ich mich absolut nicht wohl gefühlt. Die neue Situation in der ich mich heute morgen befand diktierte mir eindeutig meine »Technik« zu modifizieren, weil sie nicht mehr situationsgerecht war. Diese heutige Einsicht wirkte auf mich sehr befreiend.

Wie, wann und warum modifizierst du deine Regeln, wenn es um deinen minimalistischen oder auch einen anderen Lebensstil geht? Modifizierst du deine Regeln überhaupt?